Eiskalter Zorn - Hitze einer Sommernacht

Erschienen: 11/2019

Genre: Contemporary Romance, Western Romance

Location: USA, Montana

Seitenanzahl: 344


Erhältlich als:
paperback & ebook

ISBN:
Print: 978-3-86495-417-7
ebook: 978-3-86495-418-4

Preis:
Print: 13,90 €[D]
ebook: 6,99 €[D]

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Eiskalter Zorn - Hitze einer Sommernacht


Inhaltsangabe

Besiegt Liebe den Hass, den zwei Väter ihren Kindern aufgebürdet haben?

Als Samantha erfährt, dass die Familie des millionenschweren Unternehmers Joseph Coburn, der ihren Vater einst in den Ruin und Selbstmord trieb, eine Haushälterin sucht, bewirbt sie sich unter falschem Namen. Endlich hat sie die Chance, heimlich Beweise zu sammeln, um Coburn hinter Gitter zu bringen.

In der Villa des Clans lernt sie William kennen, den gleichermaßen attraktiven wie auch misstrauischen Sohn des verhassten Familienoberhauptes. Trotz ihrer Angst, dass der reiche Unternehmer ihre Tarnung durchschaut, fühlt Samantha sich zu ihm hingezogen. Es prickelt bei jedem Aufeinandertreffen zwischen William und Samantha, obwohl sich beide aus unterschiedlichen Motiven gegen ihre Gefühle wehren.

Doch dann erwischt William sie beim Spionieren und erfährt Samanthas wahre Identität …

Über die Autorin

Sara-Maria Lukas (alias Sabine Bruns) war gebürtige Bremerin und lebte mit ihrem Partner und diversen Vierbeinern in einem winzigen Dorf zwischen Hamburg und Bremen. Die Verbundenheit zur Natur, sowie die Liebe zum Meer und der norddeutschen Lebensart bestimmten ihren Alltag...

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Leseprobe

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Es war früher Nachmittag.
Samantha rollte auf den Hof und parkte neben dem Wohnhaus. Ein fremdes Auto stand vor der Tür. Sie runzelte die Stirn. Besuch? Egal. Kate Coburn hatte keine Gäste zum Abendessen angekündigt, also brauchte sie sich keine Gedanken zu machen.
Sie stieg aus, öffnete den Kofferraum und holte den Wäschekorb heraus. Nach dem Mittagessen war sie nach Silver Hill zur Reinigung gefahren. Nun mussten Bettwäsche und Tischtücher nur noch schnell in den Schrank sortiert werden, dann hatte sie frei und konnte ihre Reitstunde nehmen.
Sally kniete in dem kleinen Blumenbeet vor ihrem...

...Häuschen und zupfte Unkraut. Sie winkte ihr über den Hof zu und Sam winkte zurück. Fröhlich vor sich hin summend lief sie ins Haus. Kaum zu glauben, dass sie erst ein paar Tage auf der Ranch war. Sie fühlte sich bereits wie zu Hause. Der Job machte Spaß, die Rancharbeiter waren nett und in Aponi hatte sie sich Hals über Kopf verliebt. Zweimal hatte sie schon auf ihrem Rücken gesessen und niemals auch nur eine Sekunde lang Angst gehabt. Die Stute war anscheinend sensibel genug, um zu wissen, dass Sam eine Reitanfängerin war. Sie bewegte sich Runde um Runde langsam und geduldig unter ihr im Paddock, während Tom in der Mitte stand und erklärte, wie man ein Pferd lenkte.
Zum Spionieren war sie noch nicht gekommen. Sie redete sich ein, dass es noch keine Gelegenheiten gegeben hätte, aber in Wahrheit schob sie ihre Rachepläne vor sich her. Sie fühlte sich einfach scheiße bei dem Gedanken, Kate Coburn zu hintergehen.
Zum Glück klappte es mit dem Homeoffice und den Absprachen mit Ken reibungslos, sodass sie in der Agentur nicht vermisst wurde. Jeden Abend bearbeitete Samantha in ihrem Zimmer ihre E-Mails, beurteilte Entwürfe und korrigierte Texte, bevor sie mit Ken telefonierte, um ihm Instruktionen für den nächsten Arbeitstag zu geben. Und die Mittagspause nutzte sie gern, um mit Kunden zu telefonieren, wenn ein persönliches Gespräch unbedingt notwendig war.
Nachdem sie die Wäsche einsortiert hatte, lief sie in ihr Zimmer. Erschrocken stellte sie fest, dass sie die Tasche mit ihren Ausweispapieren und die Arbeitsunterlagen aus der Agentur am Morgen auf dem Nachtschrank liegen lassen hatte, anstatt sie, wie sonst, in den Schrank einzuschließen. Ja, jetzt fiel es ihr wieder ein. Sie hatte verschlafen und war hastig in ihre Klamotten gestiegen und nach unten gerannt, um das Frühstück noch pünktlich fertig zu bekommen.
Sollte irgendwer in ihrer Abwesenheit das Zimmer betreten und die Akten gesehen haben, hätte sie ein Problem. Schnell verwarf sie den Gedanken. Wollte jemand sie ausspionieren, hätte er das sicher in den ersten Tagen ihrer Anwesenheit auf der Ranch getan. Ihr Zimmer war nie abgeschlossen, Gelegenheiten hatte es also bereits genug gegeben.
Schnell packte sie alles weg, bevor sie sich die Reitjeans und ein Flanellhemd anzog. Beides hatte Sally ihr geliehen, als Samantha das erste Mal in ihren modischen Freizeitklamotten in den Stall gekommen war, um eine Reitstunde zu nehmen.
„Diese Hose scheuert dir innerhalb von zwei Tagen durch, Mädchen“, hatte sie lachend festgestellt und Samantha mit in ihr Schlafzimmer genommen, um etwas Geeigneteres für sie herauszusuchen.
Sie lief die Treppe hinunter und verließ das Wohnhaus. Das fremde Auto stand immer noch auf dem Hof. Sicher hatte Mrs. Coburn Besuch zum Kaffeetrinken. Gut, dass sie am Vormittag noch schnell zwei Kuchen für die Belegschaft gebacken hatte, die reichten auch noch für einen Gast.
Fröhlich vor sich hin summend lief Samantha durch den Stall zum hinteren Ausgang, an den sich der Paddock anschloss, und erstarrte. Ein fremder Typ stand zwischen den Pferden. Er war gekleidet wie ein Cowboy, drehte ihr den Rücken zu und hielt die Stute locker an einem Halfterstrick, während er die Narbe am Hinterbein betastete.
„Hey, was machen Sie da?“
Er drehte den Kopf ein Stück in ihre Richtung, doch da seine Hutkrempe einen Schatten warf, konnte sie sein Gesicht nicht erkennen. „Bitte?“
„Ich habe Sie gefragt, was Sie da tun!“
„Ich schätze, ich sehe mir ein Pferd an“, sagte er lässig mit tiefer Stimme.
Plötzlich erinnerte Samantha sich daran, dass einer der Arbeiter während des Mittagessens erzählt hatte, dass ein Händler erwartet wurde. Verdammt! Er hatte anscheinend von einem Pferdehändler geredet!
„Dieses Pferd ist nicht zu verkaufen“, sprudelte es aus ihr heraus, bevor sie auch nur eine Sekunde nachdenken konnte.
Der Typ richtete sich auf und drehte sich halb zu ihr herum. „Ach nein?“
Sie kletterte durch den Zaun, lief auf ihn zu und zog ihm entschlossen den Halfterstrick aus der Hand. „Nein.“
„Interessant. Warum nicht?“
Sie warf einen argwöhnischen Blick auf Aponi. Hatte der Mistkerl ihr wehgetan? Nein, sie wirkte gelassen und freundlich wie immer. „Ich habe … ähm … ich meine, ich kaufe sie.“
Erst jetzt drehte sie sich ihm zu und hob den Kopf, um dem Fremden ins Gesicht zu sehen.
Er schmunzelte und ihre Knie wurden weich. Er war mindestens zwanzig Zentimeter größer als sie und hatte die schönsten Männeraugen, in die sie je geblickt hatte. Und die schönsten Lippen. Und das schönste Kinn. Ihr Herzschlag rumpelte ganz seltsam und sie schluckte.
Irgendwo hatte sie ihn schon mal gesehen. Doch sie hatte keine Zeit, über diese Erkenntnis nachzudenken, denn ihr Körper spielte immer schlimmer verrückt. Elektrisierende Impulse schienen aus seinen Augen direkt in ihre Nervenbahnen einzudringen und dort für ein Kribbeln zu sorgen. Ihr Herzschlag normalisierte sich nicht, sondern begann, Tango zu tanzen, und in ihrem Bauch flatterten Millionen von Schmetterlingen los. Fast hätte sie geseufzt. Noch nie hatte ein Mann solch eine Wirkung auf sie gehabt.
Er war braun gebrannt. Auf seinem Kinn und unter seiner Nase wuchsen schwarze, kurze Barthaare. Es sah wie ein sehr kurz gestutzter Vollbart aus. Seine Wangenknochen gaben seinem Gesicht herbe Konturen, doch seine Lippen waren voll und geschwungen. Seine Nase war eher fein und seine Augen unter dichten Brauen dunkel wie die Nacht. Er hätte arrogant gewirkt, wenn nicht kleine Falten an seinen Augenwinkeln die Schärfe aus seiner Mimik genommen hätten. Und zu diesem Gesicht kam auch noch ein sportlich trainierter Körper. Muskeln und wunderschöne Hände mit ausgeprägten Adern auf den Handrücken, leichte O-Beine, aber kräftige Schenkel, und, ihr Blick glitt höher, eine deutliche Erhebung zwischen den Beinen. Ihr wurde heiß. Schnell sah Samantha zur Seite. Sein Anblick und seine Wirkung auf ihren Körper raubten ihr im wahrsten Sinne des Wortes den Verstand. Keine vernünftige Silbe fiel ihr mehr ein.
Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück, und ihre Finger schlossen sich so fest um den Halfterstrick, als ob sie sich daran festhalten könnte.

*

Amüsiert betrachtete William die rothaarige Furie, die ihm gerade den Halfterstrick aus der Hand gerissen hatte. Das musste die junge Aushilfe sein, von der seine Großmutter erzählt, oder besser gesagt, geschwärmt hatte.
Mit trotzig zusammengekniffenen Lippen sah sie zu ihm auf und aus ihren Augen schienen glühende Pfeile in seine Richtung zu fliegen. Sie waren grün, ihre Augen, dunkelgrün mit winzigen hellen Sprenkeln in den Iriden, die zu den im Licht der Sonne fast orangefarben funkelnden krausen Haaren passten.
„Ist ja interessant, davon weiß ich gar nichts“, antwortete er.
„Müssen Sie ja auch nicht. Geht Sie schließlich nichts an.“
Ihre reizvolle Unterlippe bebte, was eine magische, anziehende Wirkung auf ihn hatte. Irritiert senkte er seinen Blick und betrachtete ihre schlanke Gestalt. Ihre Taille lud dazu ein, die Hände daraufzulegen, um sie näher heranzuziehen und … schnell sah er wieder in ihr Gesicht.
Sie runzelte die Stirn und ihre Lippen bildeten jetzt eine schmale Linie. Deutlich feindlich und herausfordernd starrte sie zu ihm auf. Interessant. Normalerweise reagierten Frauen entweder freundlich bescheiden oder frech einladend auf ihn.
Sie hob eine Hand und strich sich eine Strähne ihrer feuerroten Haarpracht, die der leichte Wind vor ihr Gesicht gepustet hatte, hinter das Ohr. Ein süßes kleines Ohr mit einem winzigen blitzenden silbernen Stern im Ohrläppchen. Und der schmale, lange Hals darunter … Wonach sie duftete? Ob sie Parfüm benutzte? Was man wohl schmecken würde, wenn man mit der Zunge die Stelle suchte, an der ihr Pulsschlag zu fühlen war?
In seiner Hose regte sich etwas, und eilig beendete er den Gedankengang.
„Na ja“, er rieb sich übertrieben nachdenklich die Bartstoppeln am Kinn, „in Anbetracht der Tatsache, dass die Stute mir gehört, leide ich anscheinend an Amnesie oder bin dement, denn ich kann mich nicht daran erinnern, sie Ihnen verkauft zu haben.“
Ihr Mund klappte auf und wieder zu, ohne dass ein Ton herauskam. Amüsiert beobachtete er ihre Mimik und eine hektische Schluckbewegung an ihrer Kehle.
„Sie gehört der Ranch“, stieß sie schließlich aus.
„Eben.“
Eine gefühlte Ewigkeit lang starrte sie ihn still an, und er fragte sich, ob die helle Haut in ihrem Gesicht sich so weich anfühlen würde, wie es der Anblick suggerierte.
Dann zuckte ihre Wange. „Wer sind Sie?“
Bevor er antworten konnte, kam Tom um die Ecke. „Hey, Will, da bist du ja schon.“
„Hi, Tom.“
Tom sah von ihm zu der rothaarigen Furie und wieder zurück. „Ihr habt euch bereits kennengelernt?“
„Wir waren gerade dabei.“ Er hielt ihr die Hand hin. „William Coburn. Und Sie sind?“
Ihre Finger zitterten, als sie ihm ihre Hand zögernd entgegenstreckte. „Samantha … Sam … Da… äh … Miller.“
Er ergriff ihre Hand. Sie war warm und ihr Händedruck nicht so passiv weich, wie er es angesichts ihrer Verlegenheit erwartet hatte, sondern eher fest. Er hielt sie grinsend einen Moment länger fest, als es normal gewesen wäre. „Nett, dich kennenzulernen, Sam. Nenn mich einfach Will. Hier auf der Ranch mögen wir es unkompliziert.“
„Hi. Danke. Äh …“ Ihre Wangen glühten. „Entschuldigung. Ich hatte keine Ahnung …“
Er ließ ihre Hand los und zwinkerte. „Alles in Ordnung. Ich hätte ja wirklich ein Fremder sein können.“
Samantha. In Gedanken ließ er den Namen auf seiner Zunge zergehen. Er gefiel ihm.
Der Wind spielte erneut mit einer Haarsträhne vor ihrem Gesicht, und seine Finger zuckten in dem Drang, sie sachte zurückzuschieben. Doch da hob sie schon selbst die Hand und erledigte es mit einer schnellen Bewegung.
Die Abkürzung, Sam, passte definitiv zu ihrem forschen Charakter. Er musste sie unbedingt näher kennenlernen.
„Die Fohlen sind fast alle wieder fit. Nur der kleine Hengst von Filly hat noch leichte Atemgeräusche“, berichtete Tom und William nickte. „Ich schaue ihn mir nachher an. Gibt es sonst was Dringendes?“
„Nein.“
„Gut.“ Er wandte sich Samantha zu. „Wie wäre es mit einem kleinen Ausritt, Sam?“
Ihre Augenbrauen zuckten nach oben. „Ich … äh … kann noch nicht richtig reiten.“
„Nein?“
„Sie hatte zwei Reitstunden auf Aponi und hat definitiv Talent“, erklärte Tom.
„Zwei Reitstunden schon! Na, dann ist der erste Ausritt doch längst überfällig!“
Samantha zog die Stirn kraus. „Ich kann noch nicht mal richtig traben.“
„Galopp ist auch viel einfacher.“
„Das habe ich noch nie gemacht!“ Ihre Stimme wurde schrill.
„Einmal ist immer das erste Mal, oder bist du zu feige?“
Er grinste sie frech an und sie fiel netterweise auf seine Provokation herein. „Was? Nein!“
Er rückte seinen Hut zurecht. „Na also. Dann sattele mal schnell DEIN Pferd.“
Als er das Wort so übertrieben ironisch betonte, senkte sie den Blick und ihre Finger spielten nervös miteinander. „Es tut mir leid, ich hätte das nicht …“
Er winkte ab. „Solange du hier bist, gehört sie dir.“
Ihr Kopf zuckte hoch. „Wirklich?“
„Versprochen.“
„Wow.“

*

Während Samantha mit Toms Hilfe Aponi sattelte, konnte sie sich nicht davon abhalten, immer wieder verstohlene Blicke auf William Coburn zu werfen, der einige Meter weiter einen schwarzen Wallach angebunden hatte, um ihn für den Ritt vorzubereiten.
Inzwischen war ihr auch wieder eingefallen, weshalb er ihr gleich bekannt vorgekommen war. Sie hatte natürlich Fotos von ihm in Illustrierten gesehen. Wäre er im Anzug gewesen, hätte sie ihn sicher sofort erkannt, doch der Cowboyhut und die Jeans hatten ihre Wahrnehmung ausgetrickst.
Real war er noch tausendmal attraktiver als auf den Bildern. Er hatte Ähnlichkeit mit seinem Vater, wirkte aber viel offener und entspannter als Joseph Coburn. Sie konnte sich gut vorstellen, dass ihm die Frauen in Scharen hinterherliefen. Was hatte noch die Kellnerin im Green Castle gesagt? Er sei mit einer Millionärin verlobt? Bestimmt eine sehr attraktive Millionärin.
Die Reaktionen ihres Körpers erschreckten und verunsicherten sie. Wie konnte es sein, dass die bloße Anwesenheit dieses Mannes ihr dermaßen den Verstand raubte? Allein sein Blick schien auszureichen, um ihren Blutkreislauf zum Kochen zu bringen. Aber nicht nur das. Da war noch mehr, was sie irritierte und erschreckte. Sie mochte ihn, sie fand ihn sympathisch, sie wünschte sich, ihn nicht nur oberflächlich, sondern wirklich kennenzulernen.
Das durfte nicht sein. Das war unmöglich. Er war ein Coburn und damit ihr Feind. Sie musste dringend ihre Hormone in den Griff bekommen. Diese Gefühle mussten unbedingt sofort aufhören.
Er durfte auf keinen Fall merken, wie sie auf ihn reagierte. Der Typ war garantiert genauso abgebrüht wie sein Vater, auch wenn er auf den ersten Blick nicht so wirkte.
Sie wollte ihn nicht mögen, aber ihr Herz vertrat eine andere Ansicht. In Williams Mimik erkannte sie die Ähnlichkeit zu seiner Großmutter. Vielleicht überlistete das ihren Verstand und gaukelte ihr vor, er wäre ein Mensch, dem sie trauen konnte.
Als die Pferde fertig gesattelt waren, führten sie sie in die Mitte des Hofes und stiegen auf.
„Fertig?“, fragte William.
Samantha fasste den Zügel kürzer, atmete tief durch und nickte. Hoffentlich blamierte sie sich nicht. Sie wollte auf keinen Fall im Sand landen, damit anschließend ein grinsender Coburn-Sprössling auf sie herabsehen konnte.
„Viel Spaß“, rief Tom und William hob grüßend die Hand.
„Danke. Werden wir haben.“
Na hoffentlich, dachte Samantha und presste die Lippen fest zusammen, als Tom ihr grinsend zuzwinkerte, bevor er sich abwandte und in Richtung Stall schlenderte.
Im Schritttempo ritten sie nebeneinander los. Samantha starrte auf den Hals ihres Pferdes, jederzeit bereit, Halt suchend in die Mähne zu greifen, sollte es auf die Idee kommen, unkontrolliert loszulaufen.
Der Weg schlängelte sich an einer Koppel entlang und durch ein Waldstück. Aponi blieb so ruhig und besonnen wie während ihrer Reitstunden auf dem eingezäunten Platz, und allmählich glaubte Samantha, dass es möglich sein könnte, den Ausritt heil zu überstehen. Sie atmete tief durch und wollte sich entspannen, wenn da bloß nicht dauernd diese kritischen Seitenblicke gewesen wären, die dieser viel zu schöne Mann ihr zuwarf. Was machte sie denn bloß falsch?
„Wenn du weiter steif wie ein Stock auf ihr sitzt, wirst du Rückenschmerzen bekommen und keinen Spaß an unserem Ausritt haben“, sagte er schließlich gleichmütig und Samantha schnaubte. „Ich habe doch gesagt, ich kann noch nicht reiten.“
„Verunsichere ich dich?“
„Was? Nein! Warum solltest du?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, aber ich habe den Eindruck.“ Er grinste frech und schon wieder prickelte es durch ihre Nervenbahnen. „Oder bist du schüchtern?“
„Nein!“ Energisch hob sie ihr Kinn. „Natürlich nicht. Ich bin bloß vorsichtig, weil ich noch nicht richtig reiten kann. Das ist ja wohl völlig normal.“
Er lächelte und ihr Herz wollte dahinschmelzen. So ein Mist! Wo war denn bloß ihre Selbstbeherrschung?
„Okay“, sagte er. „Ich weiß, was du brauchst. Gib mir den Zügel.“ Er streckte die geöffnete Hand in ihre Richtung.
Samantha runzelte die Stirn. „Warum?“
„Du hältst sie zu kurz und ruckst deinem Pferd ständig im Maul herum, wenn du so steif bist. Das ist für Aponi nicht angenehm. Ich nehme sie als Handpferd, dann kannst du dich entspannen und auf deinen Sitz konzentrieren.“
Obwohl seine bestimmende Art sie zu Trotz und Widerspruch reizte, musste sie ihm recht geben. So angespannt wie sie war, konnte die arme Aponi sich unter ihr bestimmt nicht wohlfühlen. Zögernd streckte sie ihm die Zügel entgegen.
Er griff zu und zog die langen dünnen Lederriemen geschickt über den Hals nach vorn, ohne das Pferd zu stören.
„Gut. Und nun atme tief durch und entspann deinen Rücken. Nur dann kannst du dich mit dem Becken der Bewegung anpassen und wohlfühlen. Probiere es und du wirst merken, alles ist gut.“
Sein Ton war nicht herablassend, sondern freundlich, und er sah jetzt nach vorn. Er wollte ihr definitiv helfen.
Samantha gehorchte. Während sie tief und ruhig atmete, bemerkte sie, wie verkrampft sie tatsächlich war. Nach und nach konnte sie lockerer lassen und den Ritt im taktreinen Schritt schließlich genießen.
Die Landschaft um sie herum war herrlich. Es duftete nach frischem Gras und Moos, Vögel zwitscherten, die Sonne schien, und leichter Wind sorgte dafür, dass es nicht zu warm war. Aponi schnaubte und streckte entspannt den Kopf nach vorn. Samanthas Herz schlug schneller. Euphorie flutete durch ihre Adern und sie atmete tief durch.
„Siehst du“, sagte William leise, „jetzt fühlt ihr euch beide wohl.“
„Du hast recht. Danke. Es ist wunderschön, durch diese herrliche Landschaft zu reiten.“
Er nickte. Sein Blick glitt in die Weite. „Ja, das ist es.“
Sie ritten eine Weile schweigend nebeneinander her. Das Knirschen der ledernen Sättel und das Auftreten der Hufe am Boden fügte sich harmonisch in das Zwitschern der Vögel und das Spiel des Windes mit den Blättern an den Bäumen ein. Es war, als würde die Natur gemeinsam mit den beiden Reitern und ihren Pferden eine Melodie komponieren. Samantha wünschte sich, die Zeit für einen Moment anhalten zu können, um die Atmosphäre aufzusaugen und alles zu vergessen, was sie bedrückte: die Vergangenheit, den Hass, die Lügen und die Feindschaft zwischen den Familien.
Nach einer Weile ritten sie aus dem Wald wieder heraus. Vor ihnen lag eine riesige Graslandschaft. William drehte sich ihr zu und lächelte. „Vertrau mir, dir kann nichts passieren. Einfach weiter locker in der Lende mitschwingen.“
Bevor sie kapierte, warum er das sagte, schnalzte er leise und die Pferde galoppierten an. Im ersten Moment wollte Samantha sich panisch am Sattelknauf festhalten, doch die Pferde preschten nicht wild los, sondern galoppierten ganz langsam in gleichmäßigem Rhythmus, und es war überhaupt nicht schwer, sich der Bewegung anzupassen. Wow. Wozu ließ Tom sie immer im Kreis traben, wenn Galoppieren doch so viel einfacher war? Schon wieder rauschten Glücksgefühle durch ihren Körper und sie strahlte von einem Ohr zum anderen. „Das ist toll“, rief sie.
William sah zu ihr hinüber und nickte. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und augenblicklich kribbelte es wieder in ihrem Bauch. Oh nein!
Schnell sah sie nach vorn und konzentrierte sich auf den Ritt. Der Hals des Pferdes vor ihr, das Spiel der Ohren, die wehende Mähne, das Schnauben, die Landschaft, die Sonne am blauen Himmel … hatte sie je etwas Schöneres erlebt? Nein. Da war sie ganz sicher. Plötzlich überfiel sie wieder dieses seltsame Gefühl, ihre Heimat gefunden zu haben, und ein Kloß wollte sich in ihrer Kehle bilden, den sie allerdings entschlossen herunterschluckte.
Als sie das nächste Waldstück erreichten, ließ William die Pferde zum Schritt durchparieren. Sie ritten eine Weile bergauf einen schmalen Pfad an einem Bach entlang und verließen den Wald wieder.
„Ist das schön“, stieß Samantha bei der Aussicht aus, die sich ihnen plötzlich bot. Sie standen auf einer Anhöhe und hatten einen herrlichen Blick über die Landschaft, die Farm und die Koppeln mit den Pferden. Weit hinten am Horizont ragten die Berge des Naturschutzgebietes auf.
„Gehört das ganze Land zur Ranch?“, fragte sie und William nickte.
„Ist es nicht herrlich? Mein Vater würde am liebsten eine Hotelanlage darauf bauen, doch meine Großmutter ist Gott sei Dank dagegen.“
Er lächelte jungenhaft, wirkte dabei fast etwas verlegen. Ganz anders als auf den Fotos in den Illustrierten, in denen seine Mimik von Arroganz und Verschlossenheit geprägt war, als wollte er seinen Vater nachahmen.
Samanthas Herz legte einen Stepptanz hin. Schnell wandte sie sich ab und betrachtete das Gelände. Als ihr Rundumblick fast beendet war, drehte sie sich halb, sah auf den Wald, aus dem sie gekommen waren. Schräg daneben, in einiger Entfernung, sah sie die Ruine eines Hauses. Sie zuckte zusammen, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen, und starrte wie hypnotisiert auf die grauen Mauern ohne Dach. Rechts und links der Ruine konnte sie einige kleine Nebengebäude ausmachen, die auf den ersten Blick intakt wirkten. Die Holzzäune, die anscheinend mal zu Paddocks gehört hatten, waren allerdings nur noch teilweise vorhanden. Das musste die Ranch sein, die einst ihrer Familie gehört hatte.
Ob William wusste, was damals geschehen war?
Sie schluckte, sah zu ihm hinüber und erschrak, als sie begriff, dass er sie beobachtete.
„Das Haus ist vor vielen Jahren abgebrannt“, sagte er, als hätte sie ihn danach gefragt. „Der Besitzer war ein guter Freund meines Vaters, sie haben unsere Firma ursprünglich gemeinsam gegründet. Doch dann hat er Kunden betrogen. Als es herauskam, hat er versucht, meinem Vater alles in die Schuhe zu schieben, aber das ist ihm nicht gelungen und vor lauter Wut hat er sein Haus angezündet.“ Er gluckste. „Frag meine Großmutter lieber nicht nach der alten Geschichte; sobald sie an die Familie Davis denken muss, wird ihre Laune unterirdisch.“
Sie nickte und sah schnell in die andere Richtung. Natürlich glaubte er auch die Version über die Geschehnisse damals, die seine Familie verbreitete. Bloß nicht zu viel Interesse zeigen.
Am Horizont erkannte sie schemenhaft Silver Hill. „Toller Ausblick“, stellte sie fest, um überhaupt etwas zu sagen.
„Wollen wir einen Moment absteigen?“, fragte er, und
Samantha nickte, nahm die Füße aus den Steigbügeln und rutschte aus dem Sattel.
Er stellte sich neben sie, während die Pferde zu grasen begannen.
„Bist du …“ Ihre Stimme krächzte und sie räusperte sich. „Bist du oft auf der Ranch?“
Er seufzte. „So oft es der Job zulässt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Am liebsten wäre ich immer hier.“
„Warum bist du es nicht?“
Er hockte sich hin, zupfte einen Grashalm ab und sein Blick schweifte für eine Weile in die Ferne. Als sie schon glaubte, er hätte ihre Frage vergessen, wendete er den Kopf und sah zu ihr auf. „Ich arbeite in Billings in der Firma meiner Familie. Da bleibt wenig Freizeit.“
Sie nickte und lehnte sich an einen Baum.
Er erhob sich und stellte sich dicht vor sie. „Und du? Wo wohnst du normalerweise?“
Die plötzliche Nähe zu ihm raubte ihr den Verstand. Vor lauter Angst, er könnte merken, was für eine verheerende Wirkung er auf ihren Hormonhaushalt hatte, traute sie sich nicht, ihm in die Augen zu sehen. Ihr Blick irrte verlegen hin und her. „Ich … ähm … also ich … ich war auf einer Farm in der Nähe von … äh … Miles City.“
Seine Augenbrauen zuckten hoch. „Und dort hast du nicht reiten gelernt?“
„Äh … nein. Dort gab es keine Pferde. Großbetrieb. Industrielle Landwirtschaft. Ausschließlich Getreideanbau. Ich habe einfache Büroarbeiten gemacht.“
„Und warum machst du das nicht mehr?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich arbeite lieber mit den Händen, als stumpfsinnig am Computer zu sitzen und Belege zu erfassen.“
Er nickte. „Verstehe.“
Sie wagte es nun doch, ihm ins Gesicht zu sehen. Was für ein großer Fehler. Als ihre Blicke sich trafen, setzte ihr Denkvermögen vollständig aus. Sie starrte ihn an. Er erwiderte den intensiven Blick, ohne einen Ton zu sagen. Die Zeit stand still. Die Welt hörte für einen Moment auf, sich zu drehen.
Plötzlich hob er einen Arm, und sein Gesicht kam noch näher. Samanthas Herz begann zu rasen. Sie öffnete leicht den Mund und beugte sich ihm entgegen, als würde ein Magnet sie zu ihm ziehen. Er berührte mit den Fingerspitzen ihr Kinn und … Verflucht! Was tat sie da?
Die Erstarrung löste sich und Samantha trat mit einem schnellen Schritt zur Seite. Hitze kroch in ihre Wangen und sie presste die Lippen zusammen. Um ein Haar hätte sie einen Coburn geküsst! Einen Schönling, einen abgebrühten reichen Frauenschwarm, der jede bekam, die er haben wollte, und der mit ihr flirtete, obwohl er mit einer Millionärin verlobt war! Wie konnte sie nur!
„Ich muss zurück.“
Eilig griff sie nach dem Zügel ihres Pferdes.
Er runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
Sie zog ihm den dünnen Lederriemen aus der Hand und führte das Tier ein Stück weg von ihm.
Als sie Anstalten machte, aufzusteigen, war er plötzlich hinter ihr. „Warte.“
Er lächelte jungenhaft und deutete auf ihre Haare. „Da hat sich ein kleiner Ast verfangen. Ich wollte nur … Darf ich?“
Sie nickte hastig und er zupfte das Stück Holz aus einer Haarsträhne neben ihrem Ohr. Hatte er nur deswegen ihr Kinn berührt, weil er diesen Zweig anfassen wollte? Hatte sie sein Benehmen falsch interpretiert? Wie peinlich! Ihre Wangen schienen vor Hitze zu explodieren.
„Jetzt ist er weg.“
„Danke.“ Sie hob den Fuß und stellte ihn in den Steigbügel.
„Ich helfe dir.“ Er umfasste ihre Taille und hob sie aufs Pferd. Seine Finger waren kräftig und die Berührung war warm. Obwohl er fest zupackte, fühlte es sich nicht unangenehm an, ganz und gar nicht unangenehm.
„Das hätte ich auch ohne Hilfe geschafft“, murmelte Samantha.
„Ich weiß, aber als höflicher Cowboy hilft man trotzdem.“ Er zwinkerte und stieg ebenfalls auf sein Pferd.
Sexistischer Machoarsch. Sie kniff die Lippen zusammen, um nicht eine sehr unhöfliche Antwort zu geben.
„Willst du jetzt versuchen, allein zu reiten?“, fragte er beiläufig und sie nickte.
„Okay, ich reite vor. Bleib hinter mir, dann ist es für dich am einfachsten.“

 

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